Inverview mit Martha Bühler im Vaterlandmagazin Lifestyle – 14. November 2019
OLYPIONIKIN und „KÖPFLE-TANTE“ Martha Bühler erzählt aus ihrem Leben.
«Bei uns gab es dazumal zum Beispiel noch keinen Kunstschnee.»
Martha Bühler war 1968 die erste Frau aus Liechtenstein, welche an Olympischen Winterspielen teilnahm. Mit nur 22 Jahren beendete die mittlerweile 68-jährige Triesenbergerin ihre Skikarriere und stieg in die Gastronomie ein. Heute ist Martha Bühler vor allem wegen ihrer Knöpfle bekannt. Im Interview spricht sie über die Hoch- und Tiefpunkte ihrer Skikarriere, wie sie zum Knöpflemachen kam und über ihr Buchprojekt.
VON RUBEN BUCHER.

Zum Start etwas Aktualität: Die erst 17-jährige Alice Robinson gewann letzte Woche beim Weltcup-Auftakt in Sölden den Riesenslalom. War das für Sie eine Überraschung?
Nein, eigentlich nicht. Denn sie war ja letztes Jahr beim Saisonfinale schon auf dem Podest. Und da hat man schon gemerkt, dass sie sehr gut ist. Aber, dass sie in Sölden gleich gewinnt, hätte ich jetzt auch nicht gedacht. Ich finde es aber schön, dass es wieder eine junge Athletin gibt, die im Riesenslalom vorne mitmischen kann.
Wie intensiv verfolgen Sie heute die Skirennen?
Die Rennen im Weltcup verfolge ich, wenn möglich, alle live im Fernsehen. Manchmal geht es nicht, weil ich verhindert bin. Mich interessiert das immer noch. Aber nicht nur der Wintersport, sondern Sport im Allgemeinen. Ich gehe zum Beispiel auch zu Fussballspielen in Vaduz oder schaue mir andere Sportarten im Fernsehen an.
Wem drücken Sie die Daumen?
Da muss ich überlegen … Also bei den Herren habe ich schon gedacht, dass Pinturault gewinnt, wenn der Hirscher nicht mehr dabei ist. Und bei den Damen warte ich natürlich noch auf Tina Weirather. Aber sie fährt ja nur noch Abfahrt und Super-G. Beim Riesentorlauf in Sölden war sie ja nicht mehr dabei.
Was trauen Sie Tina Weirather in dieser Saison zu?
Wenn sie nur noch die schnellen Disziplinen fährt, dann sind die Chancen sicher besser, dass sie mal ein Rennen gewinnt. Der Riesentorlauf war nicht so ihre Disziplin, daher ist es vielleicht besser, wenn sie sich nur noch auf die Speedrennen konzentriert.
Was hat sich Ihrer Meinung nach im Ski-Weltcup in den letzten 50 Jahren verändert?
Das Material hat sich wohl am meisten verändert. Da hat sich in den letzten Jahren schon einiges getan, und dadurch musste man natürlich auch den Fahrstil anpassen. Doch auch der Schnee ist heute anders, denn bei uns gab es dazumal zum Beispiel noch keinen Kunstschnee. Und das Fahren auf Kunstschnee ist natürlich ganz anders als auf Naturschnee.
Man kann Sie als Vorreiterin für Skifahrerinnen in Liechtenstein bezeichnen. Ist Ihnen diese Rolle bewusst und macht Sie das auch ein bisschen stolz?
Das macht mich sicher etwas stolz. Vor mir war noch keine Liechtensteinerin an Olympischen Spielen und ich durfte 1968 in Grenoble und 1972 in Sapporo dabei sein. Meine Leistungen waren nicht gerade weltbewegend, aber anschliessend ging der Weg für die Damen und auch für Herren in Liechtenstein aufwärts. Ein gutes Beispiel ist da sicherlich Hanni Wenzel.

1968 waren Sie die erste Liechtensteinerin, die an Olympischen Spielen teilgenommen hat. Was haben Sie von diesen Olympischen Winterspielen noch in Erinnerung?
Rudolf Schädler war Präsident des Skiverbandes und ich bin damals gemeinsam mit ihm im Auto nach Grenoble gefahren, da ich ja die einzige Dame war. Doch die Spiele in Grenoble haben mir nicht so gefallen, da sie extrem verstreut waren. Und zu dieser Zeit gab es ja auch kein Handy und Internet, weshalb wir nicht mal mitbekommen haben, wer zum Beispiel beim Langlauf gewonnen hat.
Und wie war das bei den Olympischen Spielen in Sapporo?
Das war ganz etwas anderes. Dort hat es ein olympisches Dorf gegeben und alle Athleten haben in diesem Dorf gewohnt. So konnte man auch mal Athleten aus anderen Sportarten treffen und ich war damals mit dem Schweizer Team Eishockeyspiele, Skispringen und Langlaufrennen anschauen.
Zu dieser Zeit war es nicht gerade üblich, dass junge Frauen in Liechtenstein nur Ski gefahren sind. Wie kam es dazu, dass Sie voll auf den Sport gesetzt haben?
Mein Vater war ein begeistertet Skifahrer und er wollte, dass ich diesen Sport ausübe. Und damals hat man ja auch schon im Herbst begonnen zu trainieren, und so blieb mir fast nichts anderes übrig, als nur Ski zu fahren. Der Winter war sowieso ausgebucht und im September sind wir schon nach Magglingen ins Konditionstraining. Da konnte man daneben nicht mehr viel tun.
Mit 22 Jahren haben Sie Ihre Ski-Karriere bereits beendet. Warum das?
Ganz einfach: Man hat gar nichts als Skifahrerin verdient. Wir mussten ja schon froh sein, dass wir ein Paar Ski und Stöcke bekommen haben. Der Skiverband hat schon die Reisen bezahlt, aber daneben bekamen wir nichts.
Bereuen Sie heute Ihren frühen Rücktritt?
Ja, das bereue ich schon etwas. Ich hätte es nochmals vier Jahre riskieren und sagen sollen, dass ich nur noch die schnellen Disziplinen fahre. Aber das war da nicht üblich. Da haben einfach alle alles gemacht, ob man es konnte oder nicht. Niemand fuhr nur Abfahrt und den Super-G gab es im Rennkalender ja leider noch nicht. Denn das wäre genau meine Disziplin gewesen.
Wenn Sie jetzt zurückdenken: Was war der Höhepunkt Ihrer Karriere?
Die meisten würden sagen, der 10. Rang in der Abfahrt an den Olympischen Spielen in Sapporo. Das war sicher nicht schlecht, gerade weil ich einige gute Fahrerinnen, wie zum Beispiel Rosi Mittermeier, hinter mir gelassen habe. Ich finde aber den 10. Rang bei einem Weltcup-Riesenslalom in Abetone (It) fast noch besser. Weil es erstens im Riesentorlauf war und zweitens starten bei Olympischen Spielen ja nur vier Athleten pro Nation, und im Weltcup dürfen mehr starten. Darum ist das für mich noch etwas besser. Aber schlussendlich zählen ja sowieso nur die Podestplätze (lacht).
Und was war der Tiefpunkt?
An den Weltmeisterschaften 1970 in Sölden habe ich die Skimarke gewechselt und da hatte ich etwas Pech, dass es die falsche Marke war. Darum habe ich da auch nichts gerissen. Der ganze Winter war etwas zum Vergessen. Aber sonst hatte ich eigentlich Glück und hatte nie eine Verletzung.
Vor einigen Jahren hatten Sie einen gesundheitlichen Rückschlag. Wie geht es Ihnen jetzt?
Mir geht’s nicht schlecht. Die Leute sagen mir auch immer: «Siahschd guat us!» Ja doch, ich bin zufrieden mit der Situation. Jetzt kann ich auch wieder Ski fahren. Zuvor musste ich ja zwei Jahre pausieren, weil ich eine Rücken-OP hatte und davon noch Platten in meinem Rücken waren. Da wollte ich natürlich nichts riskieren. Doch letzten Winter bin ich wieder auf den Skiern gestanden und diesen Winter werde ich sicher auch wieder Ski fahren gehen.
Hat Ihnen Ihre Sportlermentalität beim Kampf gegen Ihre Krankheit geholfen?
Ja, ich denke, dass der Sport mir geholfen hat. Ich weiss noch als ich im Spital in St. Gallen war, bin ich durch die ganze Therapie richtig durchmarschiert. Und das in meinem Alter. Da hat mir auch ein Arzt gesagt, dass man meine Sportlermentalität schon sehe.
Zu etwas anderem: Nach Ihrer Sportlerkarriere haben Sie eine zweite Karriere in der Gastronomie gestartet. Warum genau in der Gastronomie?
Das haben viele Skifahrer zu dieser Zeit gemacht. Wir haben ja nicht viel verdient und dann hat man einfach von seinem Namen gezehrt. Früher waren die Leute wirklich sehr interessiert am Wintersport, und so konnten wir von unserem Namen in der Gastronomie profitieren. Darum habe ich dann am «Bärg» angefangen zu wirten.
Heute sind Sie vor allem als «Knöpfle-Martha» bekannt und die Skifahrerin Martha geriet etwas in Vergessenheit. Finden Sie das schade?
Nein, überhaupt nicht. Die Älteren kennen mich ja noch als Skifahrerin und von diesen werde ich auch oft noch darauf angesprochen. Aber bei den Jungen ist das ja logisch, dass die mich nicht mehr als Skifahrerin kennen. Dafür bin ich jetzt fürs «Knöpfla» bekannt und das gefällt mir auch.
Wieso eigentlich genau Knöpfle und nicht etwas anderes?
Ich war ja früher auch bei den «Bärger-Wucha» dabei und da haben meine Mutter und ich jeweils Knöpfle gemacht. Und die Leute sind dann zu uns gekommen, nur wegen den Knöpfle. Zuerst habe ich das aber gar nicht begriffen, denn meine Mutter hat immer gesagt: «Wer will jetzt extra wegen der Knöpfle den Berg herauffahren?»
Aber wie kam es dazu, dass man Sie jetzt zum Knöpflemachen engagieren kann?
Als ich am «Bärg» aufgehört habe, haben mich viele gefragt, wo sie jetzt diese Knöpfle essen können. Und dann bin ich an die Lihga und Wiga, wo ich auch viel Kundschaft hatte. Da kam mir dann der Gedanke, dass ich das ja im Catering anbieten könnte.
Und wie läuft das Geschäft?
Ich habe viele Aufträge. Geburtstag, Firmenfest, Namenstag, und so weiter …Und so treffe ich immer viele Leute und das gefällt mir. Dann habe ich etwas zu tun, muss alles vorbereiten und das lenkt mich etwas ab von all dem anderen.
Was haben Sie sonst noch für Hobbys ausser «Knöpfla» und Skifahren?
Im Sommer spiele ich noch Golf, aber ich bin jetzt nicht gerade eine gute Golferin. Ich mach das mehr zum Vergnügen und um mich zu bewegen. Sonst mache ich sportlich gar nichts, ausser Ski fahren. Aber ich fühle mich trotzdem sehr fit.
Uns sonst?
Ich reise auch sehr gerne, obwohl es mir hier in Liechtenstein am besten gefällt. Hier sind alle meine Bekannten und wenn ich jemanden treffen will, gehe ich hier in Vaduz ins «Städtle» – da trifft man immer jemanden. Das finde ich schon toll, denn ich bin nicht geboren, um allein zu sein. Ich brauche Leute um mich herum.
Sie sagen, dass Sie gerne reisen. Welche Reise hat Ihnen am besten gefallen?
Am besten gefallen hat mir das Loire-Gebiet. Wein ist natürlich auch noch ein Hobby, und so habe ich an der Loire entlang eine Wein-Reise gemacht. Das war ganz schön und Frankreich gefällt mir sowieso sehr gut. Aber früher, als ich noch Ski gefahren bin, konnte ich das gar nicht geniessen. Wir sind beispielsweise nach Val d’Isère gereist und haben kaum etwas gesehen. Wir sind dort hingefahren und nach den Rennen sofort wieder nach Hause.
Und welche war die spannendste Reise?
Einmal war ich in Sizilien auf dem Ätna am Skifahren. Dort hatte es früher tatsächlich einen Skilift und im Frühling gab es da immer ein Skirennen. Der Schnee war dann so gräulich von der Asche. Und da mussten wir am Morgen mit dem Bus von Catania aus sicher eine Stunde hinfahren. Dann sind wir das Rennen gefahren und am Nachmittag wieder zurück nach Catania an den Strand, denn das war im April und da konnte man schon baden.
Was können Sie überhaupt nicht?
Was kann ich jetzt nicht gut? (überlegt). Ich würde mal sagen, das mit dem Computer. Also das Wichtigste kann ich schon, aber ich muss ja auch nicht alles können. Das interessiert mich auch gar nicht so. Ich spreche lieber mit den Leuten direkt, sitze an einen Tisch und trinke ein Glas Wein. Aber Facebook und das ganze Zeug brauche ich gar nicht.
Zum Schluss: In einem Interview haben Sie mal gesagt, dass Sie gerne ein Kochbuch mit Geschichten aus Ihrer Skifahrer-Zeit schreiben würden. Wollen Sie das immer noch?
Ja, das ist immer noch ein Thema. Rezepte habe ich schon einige geschrieben, aber mir geht es ja nicht um die Rezepte. Mir geht es mehr um die Unterhaltung mit Anekdoten aus meinem Leben und meiner Ski-karriere. Und dann würde ich einfach noch einige meiner Lieblingsrezepte dazutun.
Und wie weit sind Sie schon bei diesem Buch?
Ja, da sollte ich jetzt mal anfangen. Ich habe schon jemand, der mir das schreiben würde. Also müsste ich einfach die Geschichten und Rezepte liefern und er würde mir dann das Ganze so ausschmücken, dass man es in ein Buch tun kann. An diesem Projekt muss ich jetzt wirklich dranbleiben.